Segelbergung: Wir machen es noch einmal,

… da wir ja inzwischen geübt sind

(Von Thomas) 15. Januar 2021 Ich liege an Deck und erhole mich etwas vom heutigen Nachteinsatz. Es ist das erste Mal auf diesem Transatlantik-Törn, dass alle fünf der Crew gleichzeitig auf dem Teakholz liegen und einfach kurz durchatmen oder sich sonnen. Dabei sind wird schon den siebten Tag unterwegs. Seit 20 Minuten ist es ruhig auf dem Schiff und jeder sinniert für sich. 

Ich liege beim Masten und sehe daran hoch. Wie gut, dass wir noch ein zweites Fall (Mastseil) haben, denke ich. Ohne die Nutzung des Vorsegels hätten wir deutlich länger, bis wir die Karibik erreichen würden. 

Code Zero (Links) und das Grosssegel

Aber da stimmt doch was nicht mit dem Fall

Ich stutze kurz und erkenne im grünen Seilmantel eine Verletzung. Das ist nicht gut und muss umgehend angepackt werden. Meine Pause scheint wieder einmal zu schnell beendet zu sein. Ich gehe zu Christof und entdecke ihn abgetaucht in die Tiefen seiner Skipperträume. «Wegen eines Seilersatzes wecke ich ihn also nicht auf», denke ich. Das kann auch noch 20 Minuten warten.

Genau in diesem Moment knallt es und 12 Stunden nach dem nächtlichen Vorfall reisst auch unser zweite Fall (Seil). Ich glaube es fast nicht.

Die Code Zero (eine Art Gennaker / Vorsegel) fliegt mehrere Meter nach vorne und hängt einem Luftdrachen gleich im Nichts draussen. Zum Glück ist sie noch mit einem Schot (Seil) fixiert, aber nicht mehr steuerbar. Sie bläht sich auf, knallt zusammen, reisst und schlägt. Wie ein ungebändigtes Tier. Eindrücklich und heikel. 

Glück im Unglück

(von Evelyn) Auch ich glaube es fast nicht. Zwei fast gleiche Vorfälle am selben Tag! Mir kommt das Sketchstück von Cabaret Rotstift in den Sinn: «Mir macheds nomaaal». Unser Glück ist es, dass nur der grüne Seilmantel gerissen ist. Unsere Code Zero hängt also noch am weissen Seilkern (Innenteil bzw. Seele des Seils). Der Aussenmantel ist im Mast drin nach unten gesaust und hat sich stark verdickt. Das Ganze gleicht einer fetten Schlange oder einem grünen Kringel-Gartenschlauch. 

Jedes Crewmitglied sieht selbstständig, wo es gebraucht wird. Wir arbeiten wie gewohnt Hand in Hand und ideal ergänzend. 

Der Seilmantel des Falls ist gerissen

Bergung der Code Zero

Die Bergung erweist sich als etwas heikel. Das Tuch und das daran befestigte Schot-Seil schlägt wild um sich. Eines streift kurz Thomas Hals. Matthias und ich bringen es unter Kontrolle, während Thomas und Beat die Code Zero vorsichtig einrollen. Christof managt die Seilseele und hat den Gesamtüberblick. Als Fünferteam schaffen wir es, dieses Vorsegel ebenfalls im Schiffsbauch zu verstauen. 

Konsequenzen für die Weiterfahrt

Beide Mastseile (Falls) sind nicht mehr zu gebrauchen. Das heisst, dass wir nur noch mit der fixen Genua (kleines Vorsegel) und unseren Gross (Hauptsegel) unterwegs sein könnten. Das kostet aber sehr viel Zeit. Darum muss eine Lösung her. 

Hindernislauf an Bord

Das grüne Fall wird um die ganze Yacht herum ausgelegt und laufend, lachend und schiebend versuchen wir als Team, die Aussenhülle von der Seele zu streifen, indem wir um die Yacht unterwegs sind. Pro 30 Meter Rundlauf schaffen wir 10-30 cm Freilegung. 

  • Fettes Seilstück mit den Handschuhen packen und über den Kern Richtung Teammitglied ziehen / reissen / stossen. 
  • Aufpassen, dass man an all den Beschlägen und Befestigungen der Yacht ohne Schaden vorbeikommt. 
  • Den Kollegen den Wulst übergeben.
  • Ganz vorne am Bug ruft Beat in Abständen. «Entlasten!» Also Seil entlasten, ohne das geschobene Grün wieder herzugeben.
  • Weiter geht’s
  • Ganz am Ende zieht Thomas den grünen Aussenmantel vom weissen Seilkern. 

Da so ein Mastseil ca. 40-50 Meter lang ist, dauert dieser Hindernislauf eine Weile. Wir schwitzen, lachen und machen Sprüche und erröten ganz sanft. Mit einem längeren Sonnenaufenthalt hat halt keiner gerechnet. 

Das war unsere Segel-Wunscheinstellung für viele Stunden

Fall ersetzen

Wir schaffen es schlussendlich, dass nur noch der weisse Seilkern im Mast drin ist. An diesen näht Thomas und Christof das gerissene Fall von heute Nacht an. Es ist ja nur um einen Meter verkürzt, da es ganz oben bei der Befestigung des gelben Segels gerissen war. Zwar ist es leider altersschwach, aber eben die einzige Alternative, die wir hier draussen auf dem Meer haben, um überhaupt wie gewünscht weiterhin das Segel setzen zu können. Wir hoffen jetzt einfach mal, dass es bis in die Karibik durchhält. Jede Stunde ist ein Zeitgewinn.

Beat im Einsatz

Belohnung mit leckerem Fisch

Duschen, unseren Apéro (Durehalterli) geniessen und danach voller Vorfreude dem Nachtessen mit viel Mahi Mahi (Goldmakrele), Süsskartoffelschnitzen und griechischem Salat entgegenfiebern. Heute sind wir alle hungrig… und müde… und glücklich. Ein Grund zum Feiern. 

Coachingfrage

Wann hat bei deiner Familie / Arbeit Humor Platz, wenn du unter Druck bist? Wo könntest du ihn konkret einbauen? Welche Art von Humor oder Spass liegt deinem Führungsstil? Welchen ersten Schritt wirst du dazu unternehmen?

2 thoughts on “Kap Verden – Karibik | Das andere Segel ist auch weg!

  1. Vielen Dank für Eure so interessanten Berichte!
    Ab u zu wäre ich auch gerne auf Eurem so schönem Segelboot und eine kl Kostprobe vom Mahi Mahi!
    Vielen Dank, Evelyn, für Deine grosse Aufgabe, für alle zu kochen….
    Wir wünschen Euch immer guten Wind und der Herr behüte Euch.
    Viel Freude, gute Gemeinschaft und gutes Durchhalten!
    Herzliche Grüsse aus dem verschneiten Thun
    von Annerose und Frank
    mit viel Freude lesen wir Eure Nachrichten aus der Ferne…
    Der Herr behüte Euch

    1. Jeder der Crew kocht. Wir besprechen die Menüoptionen am späteren Nachmittag (je nach Fischfang) und sofort melden sich 1-2 Personen des Teams, das Essen auf den Tisch zu zaubern. Wir essen ausserordentlich abwechslungsreich und immer total lecker. Ich habe einfach den Vorrat „im Griff“ und erstelle die Einkaufslisten.

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